Bericht von Bernhard Wildens Vater vom Dezember 2007:

Gespräch mit dem  Amt für Öffentliche Sicherheit  Peking (PSB) am 17.12.2007

I. Vorbemerkung

Die Nachricht vom Tode unseres Sohnes erreichte uns am 24.12.2006. Schon am 27.12.2006 war ich in Peking und habe mit der deutschen Botschaft, den zuständigen Behörden (einschl. seiner Universität) und anderen Personen Kontakt aufgenommen. Leider gelang es mir nicht, mehr Informationen zum Hintergrund des Geschehenen zu erhalten als in der Sterbeurkunde enthalten. Danach wurde unser Sohn „unter der Brandschutztreppe des Wissenschaftlichen und Technologischen Instituts der chinesischen Universität für Bergbau und Technik, Bezirk Haidian, Peking, tot aufgefunden“. Als Todesursache stellt die Sterbeurkunde fest: „ Die Autopsie durch den Rechtsmediziner des Untersuchungszentrums des Amtes für Öffentliche Sicherheit Peking, die Untersuchung und die Ermittlungen vor Ort sowie der medizinische Bericht über die Notfallbehandlung durch das Krankenhaus Nr. 3 der Universität Peking ergaben, dass Bernhard Armand Wilden an einem akuten traumatischen hämorraghischen Schock gestorben ist, den er aufgrund eines Sturzes aus großer Höhe erlitten hat.“

Es hatte keiner auch nur angedeutet, was geschehen sein könnte. Keiner hat während meiner Reise nach Peking im Dezember 2006 behauptet, dass mein Sohn sich selber umgebracht haben könnte. Ich habe meinen Sohn nicht tot gesehen und konnte keinen sprechen, der meinen Sohn identifiziert hat. Den Ort, wo er gestürzt sein soll, konnte ich nicht sehen. Ich musste das Land allerdings schnell wieder verlassen, da mir zur Einreise nur ein Visum vom 27. Dezember 2006 bis 1. Januar 2007 gewährt wurde.

Danach haben wir alles versucht, Klarheit zu bekommen. Meine Frau hat sich u.a. schriftlich an den deutschen Außenminister und den chinesischen Staatspräsidenten gewandt mit der Bitte um Aufklärung. Als Ergebnis dieser Bemühungen haben wir Mitte Mai 2007 ein vom 3.Mai 2007 datiertes Schreiben des Botschafters der Volksrepublik China in Deutschland, Herrn Ma Canrong, erhalten, in dem behauptet wurde, dass es Material gibt, wonach mein Sohn selber eine Treppe hochgeklettert ist und dann gesprungen sein soll. Insbesondere solle es ein beweiskräftiges Video geben.

Leider wurden alle unsere Bemühungen, Kopien dieses Videos zu erhalten oder auch nur in Peking Einsicht in diese Unterlagen zu nehmen, von der chinesischen Botschaft zunächst mit Hinweis auf die Zuständigkeit der örtlichen Behörden abgelehnt.

Unabhängig davon hatte ich eine Reise nach Peking geplant und vorbereitet, um gezielt weitere Informationen zu erhalten, die von Bedeutung für das Geschehene sein könnten. Daher wollte ich die Gelegenheit nutzen, an Ort und Stelle mit den Behörden Kontakt aufzunehmen, um die Unterlagen und das Video zu sehen.

II. Reise vom 27.11. bis 6.12.2007 nach Peking

Am 27. November 2007 bin ich nach Peking geflogen, u.a. mit dem Ziel, alles daranzusetzen, Näheres zu erfahren und gegebenenfalls an Ort und Stelle zu versuchen, Einblick in das vom Botschafter angedeutete Material zu nehmen und insbesondere das Video zu sehen.

Am Tag nach der Ankunft inspizierte ich unter Assistenz eines fachkundigen Begleiters den Ort des Geschehens sehr genau. Ich ging in das unbewachte Gebäude und inspizierte jedes Stockwerk, danach draußen die Feuertreppe und die Umgebung und fotografierte dabei auch unter anderem das verrostete Schloß, mit dem der Zugang zur Feuertreppe versperrt war, sowie alle Gebäudeteile unter den verschiedensten Aspekten. Es war eine Videokamera aussen über einem Notausgang angebracht, auch diese fotografierte ich.

Ich wandte mich sodann ohne Anmeldung an den Präsidenten der BLCU-Universität, an der B. studierte, ich ging einfach in sein Büro. Ich hatte Glück, es wurden dort Besprechungen mit den zuständigen Referaten und ehemaligen Professoren angesetzt, die mit dem Hinweis endeten, ich solle mich doch über die deutsche Botschaft an das Amt für Öffentliche Ordnung (Public Security Bureau, PSB) wenden, um dort Einblick in das dort lagernde Material zu verlangen. Offensichtlich schien der Universität dieser Weg opportun zu sein, um den Verdacht irgendeiner Mitschuld an dem Geschehen aus dem Weg zu räumen. Ausserdem konnte ich eine glaubwürdige Person sprechen, die unseren Sohn im Krankenhaus identifizierte, und die unter Zeugen angab, dass es keine sichtbaren Verletzungen, Deformationen usw. gab.

Ich habe mich dann an die Deutsche Botschaft in Peking gewandt mit dem Anliegen, einen Gesprächstermin bei dem PSB zu erhalten. Das mir von Dezember 2006 bekannte Personal der Deutschen Botschaft hatte mit Ausnahme eines perfekt deutsch- und chinesisch sprechenden Mitarbeiters mittlerweile gewechselt. Ich hatte den Eindruck, dass der neue Leiter der Rechts- und Konsularabteilung tatsächlich mein Anliegen unterstützte.

Es gelang zunächst nicht, einen Termin zu erhalten, auch nicht, als der Leiter der Rechts- und Konsularabteilung mir mitteilte, er habe eine sogenannte Verbalnote an das PSB geschickt.

Ich nutzte meinen Aufenthalt in Peking intensiv, um Kontakt zu dem Freundes- und Bekanntenkreis von Bernhard zu bekommen. Dies gelang mit Hilfe seines Handys: Das Handy unseres Sohnes lag bei seinem Tod teilweise zerstört und defekt auf dem Tisch in seinem gemieteten Zimmer. Mit Hilfe eines chinesischen Technikers in Deutschland konnten die auf dem noch vorhandenen Chip enthaltenen Informationen lesbar gemacht werden. Dadurch gelang es schliesslich, sich ein genaueres Bild insbesondere über das Umfeld unseres Sohnes zu machen, in dem er lebte. Dabei spielten sein Freundeskreis und seine Aktivitäten in der katholischen Kirche in China eine grössere Rolle.

Weiter gelang es mir, zu Bernhards Pfarrer in der Kirche seiner Christian Community Kontakt aufzunehmen. Dieser Pfarrer war zu einem längeren Gespräch bereit. Er erklärte darin wörtlich: „There is no Video“ und außerdem, dass es sein vorletzter Tag in Peking sei, da er 1000 km südlich versetzt wäre. Es war derselbe Pfarrer, der mir im Dezember 2006 gesagt hatte, dass Bernhard sich unmöglich selber umgebracht haben könnte, dazu kenne er ihn zu gut.

Weiterhin schaffte ich es, den letzten Tag von Bernhard, nämlich den 22.12.2006, bis nachmittags zu rekonstruieren:

Mittags hat mein Sohn in einem grösseren Hotel im Osten der Stadt Peking gegessen, ein ganz normales Essen. Er wurde dabei am Eingang des Restaurants von der routinemässig vorhandenen Videoüberwachung erfasst. Wir haben Kopie dieses Videos. Er ist deutlich und eindeutig zu erkennen. Er hatte deutlich erkennbar seine Wollmütze auf. Er verließ um 11.57 Uhr das Restaurant.

Am gleichen Tag hat er auf dem Gelände seiner BLCU-Universität eine Bank aufgesucht. Von seinem Euro-Konto dort hat er 100 Euro abgehoben und in Yuan umgetauscht. Das Geld hatte er bei seinem Tod in seiner Jacke. Später, um 16.31 Uhr schrieb er vom Computerraum seiner Universität seine letzte E-Mail an uns. Dann verliert sich zwar seine Spur, es ist aber sehr gut möglich, dass weitere Aktivitäten am 22.6.2006 aufgedeckt bzw. nachgewiesen werden, die im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest 2006 stehen.

Es war klar, dass ich nicht endlos auf einen Termin beim PSB in Peking warten konnte. Es geschah auch nichts, als meine Frau mir während meines Besuches in Peking mitteilte, dass ein Mitarbeiter der Botschaft der Volksrepublik China aus Berlin bei ihr angerufen hat. Ihr wurde mitgeteilt, dass ich über die Deutsche Botschaft Kontakt mit dem PSB aufnehmen könne mit dem Ziel, einen Besprechungstermin in Peking zu vereinbaren.

Ich habe die Deutschen Botschaft davon in Kenntnis gesetzt mit der Bitte, den Termin zu arrangieren. Da nicht erkennbar war, wann dieser Termin angesetzt werden würde, bin ich am 6. Dezember wieder von Peking nach Deutschland geflogen, nachdem ich zuvor zweimal meine Abreise der Deutschen Botschaft in Peking angekündigt habe.

III. Die Besprechung beim PSB am 17.12.2007

Das PSB in Peking musste wohl aufgrund der Vorgänge auf diplomatischer Ebene einen Termin ansetzen, zögerte aber die Festlegung des Termin hinaus, bis ich aus dem Land war. Ich erklärte daraufhin aus Deutschland der Deutschen Botschaft Peking, dass ich jeden Termin einhalten würde und notfalls von heute auf morgen wieder zurück nach Peking käme. Am 13.12.2007 schließlich schickte die Deutsche Botschaft mir eine Mail mit dem Inhalt, daß als Besprechungstermin beim PSB Montag, der 17.12.2007, 14.00 Uhr angesetzt sei. Am 14.12. flog ich daraufhin wieder nach Peking.

Am 17.12.2007 um 14.00 Uhr kam ich in Begleitung eines Angehörigen der deutschen Botschaft zu der Besprechung. Der Herr von der Botschaft sprach perfekt deutsch und chinesisch und beschränkte sich auf reines dolmetschen, entfaltete sonst keine eigene Aktivität.

Wir wurden in ein Besprechungszimmer geführt, in dem etwa 7 bis 9 uniformierte Beamte saßen (ich habe sie leider nicht gezählt), darunter wahrscheinlich der Behördenleiter. Jeder der Beamten hatte einen größeren Stapel Unterlagen vor sich aufgebaut, Schriftstücke, Fotos, Mäppchen, Klarsichthüllen usw. konnte ich erkennen, aber, um es vorwegzunehmen, diese Unterlagen spielten im weiteren Gesprächsverlauf keine grössere Rolle.

Keiner der Beamten stellte sich vor, weder mit Namen noch mit Funktion, noch wurden Visitenkarten oder ähnliches verteilt.

Der Sprecher der Gruppe, von dem ich annahm, dass er der Behördenleiter war, der sich aber auch nicht vorstellte, eröffnete das Gespräch mit einem Willkommensgruss und sagte, dass alle in dieser Runde mit dem Fall intensiv befasst gewesen wären und dem Hinweis, dass ich, wenn ich eine Frage habe, diese stellen kann.

Ich stellte daraufhin die Frage, ob ich das Video mit einer mitgebrachten Kamera mitfilmen kann, um es so meiner Frau zu zeigen. Denn es war schon im Vorfeld geklärt, dass ich keine Kopie des Videos erhalten würde. Diese Frage wurde ohne Begründung klar verneint.

Der Sprecher stellte dann seinerseits die Frage, warum wir so wenig mit unserem Sohn telefoniert haben. Mich hat diese Frage insofern überrascht, als ich mir nicht erklären konnte, woher dies der Sprecher wusste. Wurde der Handyverkehr überwacht ? Aber es stimmt, wir haben relativ wenig miteinander telefoniert. Ich teilte dann den Grund mit: Wir haben schriftlich per E-Mail miteinander verkehrt, und zwar schaetzen wir im Durchschnitt eine E-Mail pro Tag. Wir haben alle Mails von unserem Sohn in China gespeichert, also insgesamt mehr als 1000.

Ausserdem teilte ich mit, dass wir persönlich oft Kontakt zu ihm hatten: Er war in sämtlichen Semesterferien zu Hause und wir haben ihn, beide Elternteile oder ich allein, auch etwa zweimal im Jahr besucht.

Unterdessen kam ein Kameramann hinzu und nahm die gesamte Runde auf, u.a. auch die Rangabzeichen der Beamten. Auf meine Frage, was das wäre, wurde geantwortet, dass dies zu Zwecken einer Dokumentation geschehe.

Sodann wurde vom Sprecher der Gruppe die Frage gestellt, was mein Sohn überhaupt so lange in Peking gemacht habe. Diese Frage erstaunte mich ebenfalls, ich habe sie aber beantwortet:

Von September 2002 bis Mitte 2005 absolvierte er an der Beijing Language and Culture University (BLCU) sein Bachelorstudium mit Erfolg, er konnte z.B. an der Abschlussfeier die Abschlussrede für alle ausländischen Studenten halten, und danach begann er sein Postgraduierten- oder Masterstudium an der gleichen Universität, aber im Fach „Internationale Wirtschaft“. Dieses Masterstudium wäre im Frühjahr 2008 beendet gewesen.

Dann wurde gefragt, was eigentlich mein Ziel sei für diesen Besuch. Ich erwiderte, dass ganz einfach mein Ziel ist, herauszufinden, was wirklich geschehen ist.

Mein Sohn war meines Wissens nie krank oder in Behandlung gewesen, er hatte kein uns bekanntes Problem gehabt. Wir sehen kein Motiv für einen Freitod. Er hätte uns aber einige Tage vor seinem Tod eine E-Mail geschrieben, dass er sich bedroht fühle und dies auch telefonisch mitgeteilt, er wollte dann sofort nachhause kommen, teilte dann am 22.12.2006 in einer E-Mail mit, dass er sein Flug-Ticket nicht gefunden habe. Ich sagte dann deutlich, dass sehr wohl ein Motiv für einen Tod durch fremde Hand darin liegen könne, dass er ein sehr gläubiger Katholik war, mit dem Vatikan und sehr vielen katholischen Würdenträgern in Kontakt war und möglicherweise in dieser Richtung in China aktiv war. Ich habe dann nochmals betont, dass sich ein gläubiger Katholik, wie es unser Sohn nachweisbar bis zuletzt war, nicht umbringt, weil er das mit seinem Glauben nicht vereinbaren kann.

Dies wurde nicht kommentiert, man wendete sich anschließend der wichtigen Frage zu, was denn überhaupt festgestellt wurde, und dazu gab der Sprecher das Wort an einen anderen Beamten, der mit der Sache als erster befasst gewesen sei. Ich stellte die Frage, welche Verletzungen der Beamte bei meinem am Boden liegenden Sohn gesehen hat, was ihm aufgefallen sei und wollte auch Fotos sehen, von denen ich mit Sicherheit annahm, dass sie vorhanden sind.

Der Beamte gab dann eine Erklärung ab, warum überhaupt keine Fotos an dem Ort, wo mein Sohn gefunden worden ist, gemacht worden sind: Ein „Türsteher“ (so wurde es übersetzt) habe meinen Sohn vor dem videoüberwachten Notausgang des Gebäudes gefunden und zwar unten an der Feuerschutztreppe. Diese Feuerschutztreppe wäre acht Stockwerke hoch und führe bei jedem Stockwerk zu einem Eingang in das eigentliche Treppenhaus, und diese Eingänge seien stets verschlossen.

Der Türsteher habe dann gemeldet, dass mein Sohn vielleicht noch lebe, und deshalb sei mein Sohn nach der Meldung sofort in das Krankenhaus gebracht worden. Als der Beamte also am Fundort eintraf, war mein Sohn schon im Krankenhaus, deshalb könne es kein Foto geben. Der Beamte sei dann sofort in das Krankenhaus gefahren und erhielt dort die Mitteilung, dass mein Sohn verstorben wäre.

Danach teilte der Beamte mit, dass man im Treppenhaus nichts Verdächtiges gefunden habe. Ich wunderte mich, dass der Beamte das eigentliche Treppenhaus innerhalb des Gebäudes erwähnte, denn davon war nie die Rede, dass mein Sohn im Gebäude selber war, denn die Feuerschutzleiter aus Eisen ist außen am Gebäude angebracht. Doch dann malte der Beamte die Szene noch aus, indem er sagte, man habe im ganzen Treppenhaus keine Spuren von Kampf oder Gewalt festgestellt. War vielleicht doch etwas im Treppenhaus ?

Mir wurde dann eröffnet, dass leider keine genaueren Untersuchungen durchgeführt werden konnten, weil ich einer Obduktion nicht zugestimmt habe. Ich war dann völlig „perplex“, sagte nur mehrmals „Ich?“ und äusserte mich dann dahingehend, dass ich mich daran absolut nicht erinnere.

Dann wurde mir gesagt, doch. Frau R., von der Deutschen Botschaft habe mich damals gefragt, ob ich den Leichnam untersuchen lassen wolle…

Das stimmte nicht, und so habe ich das dann auch abgestritten. Zum einen steht in dem amtlichen Dokument des Rechtsmedizinischen Untersuchungszentrums des Amtes für Öffentliche Sicherheit Peking vom 28.12.2006 deutlich genug drin, dass eine Autopsie durch den Rechtsmediziner des Untersuchungszentrums erfolgt ist, deren Ergebnisse mir bis heute nicht bekannt sind. Entweder gab es diese Autopsie, und dann ist der Vorwurf, ich habe nicht zugestimmt, abwegig, oder es gab sie nicht, dann ist die erwähnte Sterbeurkunde falsch. Zum andern ging es bei den Gesprächen mit Frau Rüger am 27.12.2006 bei „SOS“ nicht um die Autopsie, sondern um Frage, ob und unter welchen Umständen eine Überführung des Leichnams nach Deutschland, wie von meiner Frau ursprünglich als einzige Möglichkeit gefordert, überhaupt möglich sei.

Dann wurde mir in diesem Zusammenhang vorgehalten, ich habe doch ein Papier mit einer entsprechenden Erklärung unterschrieben, und man deutete auf ein Stück Papier, was ich aber wegen der Entfernung von einigen Metern nicht erkennen konnte. Ich fragte dann, ob dieses Papier in chinesischer Sprache wäre, man sagte ja, und da bestätigte ich, dass ich ein chinesisches Papier unterschrieben hatte.

Diesen Vorgang stelle ich nachfolgend in einem Exkurs ausführlich dar.

Exkurs Anfang

Am 28.12.2006 bin ich im Auto eines Beamten des PSB zum Rechtsmedizinischen Institut in einem Vorort Pekings gefahren. Dort fand eine Besprechung mit schätzungsweise 6 weiteren Personen statt (ich habe sie nicht gezählt), die sich nicht vorstellten. Ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft war bei dieser wichtigen Besprechung leider nicht zugegen, obwohl die Botschaft über diesen Termin informiert war. Es geschah dann folgendes:

Mir wurde zunächst eine größere transparente Plastiktüte übergeben, in der sich u.a. die Jacke und die Wollmütze meines Sohnes befand. Ich hatte zwar in Peking schon einiges erfahren, aber das für mich entscheidende gar nicht: Wie ist mein Sohn gestorben? Ich wollte daher das Gespräch in dieser Runde bewusst darauf lenken und stellte folgende Frage:

„Kann es sein, dass mein Sohn durch einen Unfall gestorben ist?“

Die Frage wurde von Frau L. in das chinesische übersetzt. Frau L. war die Chinesischlehrerin meines Sohnes. Bei ihr hatte er viele Jahre lang Privatunterricht genommen. Sie stammt aus Peking, hat aber einen deutschen Pass. Bei der Nachricht vom Tod unseres Sohnes am 24. 12.2006 wollten wir uns sofort in Köln mit ihr in Verbindung setzen und erfuhren dann, dass sie zufällig und ungeplant schon in Peking war, um dort ihre an einem Herzinfarkt erkrankte Mutter zu besuchen. Wir nahmen telefonisch von Deutschland aus Kontakt mit ihr auf, sie erklärte sich spontan bereit, in Peking Dolmetscherdienste zu leisten.

Als Frau L. meine Frage betr. Unfall übersetzte, war größte Aufregung im Saal. Mir wurde die mir zuvor übergebene Plastiktüte wieder abgenommen, lautes Stimmergewirr, hektisches Telefonieren auf Handys, erregte Diskussionen.

Ich fragte Frau L., was das zu bedeuten habe. Frau L. antwortete, dass alle wegen meiner Frage völlig aus der Fassung gebracht wären, es Kompetenzprobleme gäbe, keiner wisse, was zu tun sei etc. Ich schätze, dass etwa eine halbe Stunde nichts weiterging. Dann kam ein neuer Mann hinzu, der den Eindruck erweckte, „dass er etwas zu sagen habe“, sich aber ohne sich vorzustellen, sogleich hinsetzte und vielleicht 10 Minuten etwas schrieb. Während dieser Zeit war Ruhe. Ich fragte Frau L., wer der neue Mann wäre, und sie antwortete etwa, das sei der Chef der Internationalen Polizei.

Das von dem Mann geschriebene Papier in chinesischer Sprache wurde mir vorgelegt und ich fragte Frau L., was darin stehe. Sie antwortete, dass das eine fiktive Gesprächsnotiz sei, in der ich erklären würde, dass mir alles klar wäre und ich keine Fragen stellen würde. Ich wollte dies zunächst keineswegs unterschreiben, doch mir wurde mehrmals sinngemäß gesagt, dass ich das Papier unterschreiben müsse, sonst könne ich gleich wieder abfahren und würde nichts erreichen. Ich stellte dann eine erregte Diskussion zwischen L. und einem  Beamten fest, und merkte dass Frau L. plötzlich nervös wurde und Angst bekam. Sie erklärte mir, dass sie das Papier auch unterschreiben müsse und zur Richtigkeit der Unterschrift ihren deutschen Pass, den sie nicht bei sich habe, den Beamten abgeben müsse. Sie deutete mir an, dass mir nichts anderes übrig blieb, als das Papier zu unterschreiben und sie sagte dann zu mir flehend, was mir noch in Erinnerung geblieben ist: „Wenn Sie glauben, dass ich Ihre Sache hier nicht richtig vertrete, bitte, dann aber entbinden Sie mich sofort von den Dolmetscherdiensten und suchen sich einen anderen Dolmetscher“.

Ich habe in dieser eskalierten Situation das Papier unterschrieben. Ich wusste nicht, was ich unterschrieben habe und habe keine Kopie davon erhalten.

Exkurs Ende

Ich habe dann nochmals das Thema der Verletzungen angesprochen, man solle mir eindeutig sagen, welcher Art die Verletzungen meines Sohnes gewesen wären, ob z.B. ein Arm ab sei, das Gesicht völlig entstellt usw. und sie sollten Fotos zeigen. Ich hatte da ja die Aussage des Zeugen im Kopf, dass mein Sohn keinerlei Verletzungen hatte. Mir wurde entgegnet, dass Verletzungen am rechten Arm und am Kopf festgestellt worden seien, aber nicht, welcher Art und wie schwer diese Verletzungen waren. Obwohl  darum  eindringlich gebeten, wurden mir keine Fotos gezeigt.

Dann wurden Vorbereitungen getroffen, damit ich das Video sehen konnte. Das Video war auf einem Notebook gespeichert, mit einer Bildschirmgröße von etwa 20 x 15 cm. Mit einer Geste kam ich nochmals auf meine zu Beginn des Gespräches geäußerte Bitte zurück, das Video mit meiner Kamera abzufilmen, wie erwartet wurde dies abgelehnt. Ich saß etwa knapp 1 m von dem Notebook entfernt. Der Platz war mir zugewiesen worden.

Dann wurde mir das Video gezeigt, doch vorher wurde zu meiner Verwunderung erklärt, dass es sich um zwei verschiedene Videos handeln würde, also Video 1 und Video 2.

Das Video 1 war kurz, ich schätze die Dauer auf etwa 7-10 Sekunden. Aufnahmezeit ist 23.12.2006, 5.13 Uhr morgens. Das Video zeigt eine allein auf der Strasse zügig gehende  männliche Person, die plötzlich und zielgerichtet ohne das Tempo zu verlangsamen oder zu zögern um 90 Grad nach rechts auf den Gebäudenotausgang und damit die Feuertreppe zugeht.

 

Die Person muss die Örtlichkeiten sehr genau gekannt haben und sie würde, wenn man sich das Video fortgesetzt denkt,  ebenso zügig die Feuerleiter hinaufgeklettert sein.

Die Identität  der Person kann nicht zweifelsfrei festgestellt werden, doch könnte es sich nach der Statur und dem Haarschnitt sehr wohl um B.  gehandelt haben (statische Betrachtung). Der Gang war auffallend zügig, eher weniger markant für B., er ist insgesamt eher neutral zu beurteilen, was die Identifikation angeht. Mit anderen Worten: Nach den Eigenheiten des Ganges (einer Bewegungsanalyse) ist es nicht ausgeschlossen, aber auch nicht bewiesen, dass es sich um B. handelt (dynamische  Betrachtung).

Auffällig ist, dass die Person stets angestrahlt ist, also so, als ob in einem bei Nacht aufgenommenem Spielfilm eine gehende Person in einem Scheinwerferkegel gefilmt wird, der der Person folgt. Es handelt sich eindeutig nicht um eine infrarotgesteuerte Aufnahme.

Dass von der fest installierten Videokamera oberhalb des Notausganges bewegte Bilder auf der normalen Strasse aufgenommen werden können, ist nicht nur technisch zu bezweifeln, sondern gibt auch gar keinen Sinn:

Der Notausgang ist gleichzeitig ein einbruchsgefährdeter Noteingang, und deshalb ist die Videokamera da, und nicht dazu, Fußgänger auf der normalen Strasse zu beobachten, die vielleicht dann zum Noteingang abbiegen. Dann müsste jeder Fußgänger auf der Strasse aufgenommen werden, und zur Nachtzeit müsste er angestrahlt werden, denn man weiß doch vorher nicht, ob der Fußgänger zum Noteingang abbiegt oder nicht. Die Person wurde aber von der Kamera auf der normalen Strasse aufgenommen, bevor sie abbiegt.

Sehr auffällig ist, dass die Person auf dem Video keine Wollmütze trägt. Am Tag und in der  Nacht zum 23. Dezember 2006 war es sehr kalt und B. trug immer bei kälterem Wetter eine Wollmütze. Er hatte diese Mütze schon mittags auf, als er beim Betreten eines Restaurants und beim Herausgehen aus diesem Restaurant von der Videokamera erfasst wurde. Wir sind im Besitz dieser Aufnahmen. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass unter den Kleidungsstücken, die B. bei seinem Tode getragen hatte und die mir am 28.12.2006 in Peking übergeben worden sind, auch die Wollmütze war.

Dann wurde mir das Video 2 vorgespielt.

Dieser Videoclip ist etwas kürzer als das Video 1 und zeigt eine auf die normale Strasse fallende bzw. gefallene Person, die sich unmittelbar nach dem Fall noch einmal etwas bewegt. Die Person ist aus einer Entfernung von etwa 3,5 bis 5 m aufgenommen und als Person nicht identifizierbar. Dieses Video 2 kann unmöglich mit der über dem Notausgang vorhandenen Videokamera  aufgenommen sein.

Es ist angeblich von einer anderen Kamera aufgenommen wurden. Diese zweite Kamera habe ich nicht entdecken können und ihr Aufnahmebereich hätte auch überhaupt keinen Sinn: Warum sollte sie etwas auf der ganz normalen Strasse aufnehmen? Sie müsste alles aufnehmen, und zwar bei Nacht alles beleuchtet, denn auch bei diesen Aufnahmen handelt es sich nicht um Infrarotaufnahmen. Ich kann mir das nicht erklären, da ich auch nach dreimaliger intensiver Ortsbesichtigung keine zweite Kamera entdecken konnte. Auch bei diesem zweiten Video ist es unerklärlicherweise so, als ob  die fallende Person von Scheinwerfern angestrahlt worden wäre.

 

Merkwürdigerweise zeigt das Video 2  an dem Bordstein auf einer Länge von 1,5 bis 2,0 m deutliche Farbveränderungen auf der Strasse, die Blut darstellen sollen. Ich stellte während des Videos die Frage, ob das ein Blutfleck sei, was bejaht wurde. Dies ist merkwürdig: Zum einen braucht das Blut Zeit, um aus dem doch fast unbeschädigten Körper auszufliessen, das Video endete aber Sekunden nach dem Fall. Zum andern war an den mir am 28.12.2006 übergebenen Kleidern unseres Sohnes, die er bei seinem Tod trug, kein bisschen Blut, auch nicht kleinste Spuren.

Das Video 2 zeigt 5.29 Uhr an. Es wirkt unnatürlich.

Wird das Video 1 und dann das Video 2 abgespielt, ergibt sich für den unbefangenen Betrachter eine gewisse Suggestivwirkung, er konstruiert das Geschehen.

Nachdem das bzw. die beiden Videos gezeigt wurden, versicherte man mir nochmals, dass es sich um zwei verschiedene Kameras handeln würden, wobei die mir bekannte Kamera als „Bank“-Kamera bezeichnet wurde. Der Begriff „Bank“ ist mir in diesem Zusammenhang nicht bekannt.

Als ich sagte, dass man die Feuertreppe doch gar nicht heraufgehen könne, weil sie durch ein Schloss gesichert sei, entstand etwas Unruhe im Saal, doch dann wurde mir erklärt, dass das Schloss nachträglich angebracht worden wäre. Ich habe ein Foto des Schlosses, es ist ein altes Vorhängeschloss mit Rostflecken.

Mehr für mich selber als für die anderen sagte ich, dass ich mich frage, warum sich denn da jemand vom 8. Stock herunterstürzen solle, wo es doch genügend  höhere Gebäude in der Nachbarschaft mit mehr als 20 Stockwerken gäbe.

Daraufhin gab es die überraschende Antwort, dass B. vom dritten Stock gesprungen wäre (Anmerkung: Die Chinesen sprachen vom 4. Stock und das wurde auch so übersetzt. Aber da in dem Gebäude das Erdgeschoss als 1. Stock mitzählt, wird hier 3. Stock anstelle 4. Stock gebraucht, da man in Deutschland den 4. Stock des Gebäudes  als „3. Stock“ bezeichnen würde). Mir wurde kurz das Foto einer Stange vom 3. Stock gezeigt. Auf dieser Stange sollen sich Fingerabdrücke von B. und Wischspuren befunden haben, die den Schluss zulassen, dass sich B. aus dem 3. Stock gestürzt habe. So wären die geringen Verletzungen zu erklären.

Ich habe dies alles als sehr merkwürdig bezeichnet  und noch gefragt, ob B., als er sich auf der Feuerleiter im 3. Stock befunden habe, problemlos noch weiter bis zum 8. Stock heraufklettern hätte können. Dies wurde bejaht.

Auf meine ausdrückliche Bitte hin wurden mir anschließend die beiden Videos nochmals abgespielt


Danach habe ich mich für das Gespräch bedankt, um Verständnis gebeten, dass ich keine Erklärung zum Gehörten und Gesehenen abgebe und auch dafür, dass bei mir ein merkwürdiges Gefühl zurückbleibt: Ein ganz normaler, gesunder Mensch, ohne bekannte Probleme, soll plötzlich auch noch vom 3.Stock springen, aus einer Höhe, wo er annehmen muss, dass er nicht mit Sicherheit tot ist, und besonders auch, dass ich ihn noch wenige Stunden vor seinem Tod in einem Video in einem Restaurant sehe, wie immer, ohne Auffälligkeiten.

Darauf wurde geantwortet, dass, wenn jemand vom Hochhaus stürzt, die Ermittlungen eingestellt werden, wenn klar ist, dass kein Mord vorliegt und man habe viele Lehrer usw. befragt, aber man könne natürlich nicht wissen, was vor dem Sturz in ihm vorgegangen sei.

Dann habe ich gefragt, ob man in diesem Zusammenhang eine Erklärung dafür habe, dass B. uns einige Tage vor seinem Tod mitgeteilt habe, er fühle sich bedroht, von der Sicherheitspolizei.

Die Antwort war ausweichend, man habe nichts festgestellt, das könne nicht sein.

Der Sprecher der Gruppe teilte dann mit, dass B. polizeilich in Peking nie in Erscheinung getreten sei. Es wurde angedeutet, dass er nicht beobachtet worden sei, eben weil er nicht auffällig gewesen sei. Eine Beobachtung sei nur aufgrund einer Auffälligkeit möglich.

Ich habe dann zum wiederholten Mal die Bitte geäußert, dass ich die Videos für meine Frau zu Hause abfilmen kann, doch diese Bitte wurde wie erwartet abgelehnt. Da äußerte ich die Bitte, ein Foto von der Runde im Saal machen zu dürfen, ich wäre ja auch zu Dokumentrationszwecken hier gefilmt worden. Auch dies war jedoch nicht möglich.

Meine letzte Frage war, ob ich später noch ergänzende Fragen zum Sachverhalt an das PSB stellen kann, z.B. per Mail. Denn ich sei verständlicherweise jetzt etwas belastet und bei ruhigem Nachdenken kämen sicherlich noch Fragen. Es wurde abgelehnt, dass ich eine Rückfrage usw. direkt an das PSB stellen kann, das PSB gebe Auskünfte nur an die Deutsche Botschaft. Ich könne mich dorthin wenden.

Dann habe ich mich noch an den Sprecher gewandt und um seine Geschäftskarte gebeten. Er sagte, es gäbe keine Visitenkarten, aber sein Name wäre Ma.

Die Sitzung endete dann nach schätzungsweise einer knappen Stunde.

IV. Weitere Aktivitäten am 18.12.2007

Nach der Besprechung gelang es, mit der Vermieterin Kontakt aufzunehmen, die an unseren Sohn ein Studentenzimmer vermietet hatte. In einem etwa einstündigen Gespräch mit ihr habe ich über eine Dolmetscherin erfahren, dass mein Sohn auch ihr gegenüber  kurz vor seinem Tod äußerte, nach Hause zurückzuwollen.

Ein für den 18.12. geplantes weiteres Gespräch mit einem Vertreter der Universität musste ausfallen, da es wegen einer plötzlichen einwöchigen Dienstreise abgesagt wurde.


Köln,  31.12.2007

G. W.



Update am 21. Dezember 2008:

Bernhard Wildens Vater schreibt in dem oben stehenden Bericht: "Auffällig ist, dass die Person stets angestrahlt ist, also so, als ob in einem bei Nacht aufgenommenem Spielfilm eine gehende Person in einem Scheinwerferkegel gefilmt wird, der der Person folgt" und: "Auch bei diesem zweiten Video ist es unerklärlicherweise so, als ob  die fallende Person von Scheinwerfern angestrahlt worden wäre."

Bernhard Wildens Vater hat im Dezember 2007 den Ort fotografiert, an dem Bernhard im Dezember 2006 tot aufgefunden worden war:

Hier war weder an der Treppe noch unter der Kamera ein Scheinwerfer.

Nun wurde im Dezember 2008 der Ort erneut aufgesucht, und es wurde festgestellt, daß inzwischen, also im Laufe des Jahres 2008, zwei Lampen angebracht worden sind. Diese sind auf dem Bild unten rot eingekreist. Ein Scheinwerfer befindet sich jetzt an der Treppe und ein zweiter ist direkt unter der Kamera.

 

Hier die beiden Lichtquellen vergrößert, links der Strahler an der Treppe, rechts der Strahler mit der bekannten Kamera darüber:

.

Offen bleibt der Grund für die Anbringung dieser Lampen. Es wäre selbst jetzt immer noch nicht möglich, eine Szene, die sich unter den Lichtquellen abspielt, mit einer Video-Kamera von der gegenüberliegenden Seite aus zu filmen. Denn wie in dem nachfolgenden Bericht von Bernhards Vater angemerkt und in dem Bild unten auch erkennbar, befindet sich gegenüber der Feuerschutztreppe eine Grünfläche, an der keine Kamera ist und wo es auch nicht möglich ist, irgendwo eine Kamera anzubringen. Auf dem Bild unten ist ein Teil dieser Grünfläche zu sehen:

Es wurden im Laufe des Jahres 2008 einige Male Blumen an der Feuerschutztreppe angelegt, wo Bernhard tot aufgefunden wurde. Mit den jetzt angebrachten Lichtquellen könnte die Person, die diese Blumen niederlegt, von der bekannten Kamera erfaßt werden. Dies könnte vielleicht ein Grund für das Anbringen dieser Lampen sein. Von weiterem Niederlegen von Blumen wird deshalb jetzt Abstand genommen.


 

zurück