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Bernhard begann sein Studium in Peking an der BLCU im September 2002. Zu Weihnachten flogen wir nach Peking und besuchten mit unserem Sohn die Weihnachtsmesse in der katholischen Südkirche.

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links: bei der Meßfeier in der Kirche; rechts: weihnachtlich geschmücktes Kirchengelände

Die Kirche war voll mit Menschen, und die Messe wurde in englischer Sprache gehalten, deshalb konnte ich auch verstehen, was der Pfarrer in seiner Predigt erwähnte: Zur Mitternachtsmesse seien 42 000 Menschen anwesend gewesen, und zwar in der Kirche und auf dem dazugehörigen Grundstück und noch in einem weiten Umkreis auf der Straße. Es seien auch der Bürgermeister von Peking und wichtige buddhistische Vertreter der Stadt sowie andere erwähnenswerte Persönlichkeiten anwesend gewesen. Er sagte wirklich: 42 000 Besucher und bestätigte das später noch einmal auf unsere Anfrage. Gut zehn Prozent der Bevölkerung sollen Christen sein (Tendenz steigend). Üblicherweise werden die Meßfeiern aber in chinesischer Sprache gehalten, manchmal auch in lateinisch.

Bernhard flog in den Semesterferien stets nachhause, und etwa zweimal jährlich besuchten wir ihn in Peking, so daß wir also in enger Verbindung blieben. Außerdem wechselten wir fast täglich e-Mails, manchmal etwas längere Texte, manchmal nur ein paar Worte. So verbrachte er die ersten beiden Jahre damit, sich einzugewöhnen (was ihm auch schnell und problemlos gelang) und China zu entdecken. Er hatte dort keine Kontakte mit Deutschen, sondern anfangs mit Mitstudenten anderer Nationalitäten, vor allem aber mit Chinesen. Und er hatte Kontakt zu Verwandten seiner Chinesischlehrerin aus Köln, die in Peking lebten.

Im Sommer 2003 lernte er ein chinesisches Mädchen kennen, und die beiden fingen an, gemeinsame Zukunftspläne zu schmieden. Er integrierte sich in das chinesische Leben, aß nur chinesische Speisen und unterhielt sich viel mit Leuten in Peking. Ganz besonders trug natürlich dann er Kontakt zu seiner Freundin und ihren Eltern dazu bei, daß er in der Praxis schnell die Sprache erlernte.

Etwa Mitte des Jahres 2004 wurde in Bernhards E-Mails erkennbar, daß er sich auch mit den sozialen Problemen Chinas und mit der politischen Lage beschäftigte; insbesondere mit der Kommunistischen Partei Chinas und mit dem System.

Man darf annehmen, daß er sich spätestens zu dieser Zeit auch über die Probleme des Christentums und insbesondere der katholischen Christen in China informierte, denn am 24.4.2004 schrieb Bernhard eine längere e-Mail an mich. Er schrieb unter anderem:

Ich rede oefters mit Chinesen, ab und zu kann man daraus auch ihre Einstellung zur Regierung und Partei erkennen. Es hat deutlich negative Stimmen gegeben, aber die Mehrzahl der Stimmen war positiv. Das Bild ist, dass die Chinesen ihre Regierung stuetzen und sich freiwillig, nicht gezwungen, unter ihre Fuehrung stellen. Auch, dass es in China "zu viele Menschen" gaebe, ist allgemeine Ansicht; man kann daraus ableiten, dass sie auch die verbrecherische Ein-Kind-Politik schuetzen. International fuehlen sie sich von ihrer Regierung vertreten; Patriotismus, der als etwas Positives und Wuenschenswertes angesehen wird, spiegelt sich in der Treue zur Partei wieder. So verhaelt sich niemand,der sich unterdrueckt fuehlt: Sie denken so, wie es die Regierung gerne hat. Der Kommunismus hat ihre Herzen und Seelen vergiftet. Das einzige, was man ihnen zugute halten kann, ist, dass sich vielleicht nicht so viele Leute getraut haben, mir gegenueber ihre gesunde Einstellung zu Regierung und Partei zum Ausdruck zu bringen. Und dass sie nie etwas anderes gehoert haben.

...Die allgemeine Meinung ist halt von der Partei und vom "Marxismus", wie hier der Kommunismus oft genannt wird, bestimmt. Jeder Student muss u.a. mindestens eine Pruefung ueber den Marxismus ablegen, ich glaube, dass sie die Universitaet durch auch mindestens ein solches Fach nehmen muessen. Obwohl da viel ueber Wirtschaft geredet wird, wird dennoch auch ein bestimmtes Weltbild vermittelt. Aus Wissenschaft wird eine Weltanschauung gemacht, und die Parolen sind immer noch wie frueher. Es wird wenig hinterfragt.

Ich weiss nicht, ob es als Chinese als Christ moeglich waere, da durchzukommen, ohne persoenlich einer mit dem Glauben nicht vereinbaren Aussage zuzustimmen. Dann scheint es so zu sein, dass die Normen der "sozialistischen Moral" nicht mehr als etwas fremdes, einem selbst Gegenueberstehendes empfunden werden, sondern sie sind zu einem Allgemeingut des Denkens der Menschen geworden, sie sind selbstverstaendlich und ohne Diskussion akzeptiert und dadurch in die Kultur eingegangen.

Und zuletzt habe ich etwas gelesen, was man als Hinweis darauf interpretieren koennte, dass jeder Chinese, der hier in die offizielle Kirche eintritt, selbst ein Dokument unterschreiben muss, dass er den "Drei Selbst" (u.a formelle Losloesung vom Papst) zustimmt, ob es wirklich so ist, weiss ich allerdings nicht. Ich will niemandem, der Mitglied in der offiziellen Kirche ist, den Glauben absprechen, auch dann nicht, wenn er das Dokument unterschrieben hat. Es hat mir aber zu denken gegeben.

Am gleichen Tag abends schrieb er:

Ich bin der Meinung, dass der Kommunismus eines der schlechtesten Dinge aller Zeiten auf unserem Planeten ist.

Dieser Themenkomplex beschäftigte ihn von da an wohl auch weiter und sehr intensiv. Bernhard sprach manchmal davon, daß der chinesische Staat die Menschenrechte nicht achte, und ich fragte ihn dann, worauf sich diese seine Meinung stütze. Er lebe doch in China und könne sicher ganz konkret etwas darüber sagen, denn mein Eindruck von China war, daß man dort so frei lebt wie in Deutschland. Ich fühlte mich bei meinem Aufenthalten in China keiner Beschränkung unterzogen, wir hatten ja auch keine Sprach- oder sonstigen Schwierigkeiten, weil wir mit Bernhards Hilfe dort leicht zurechtkamen. Bernhard blieb stets bei seiner Meinung, äußerte sich aber nicht klar darüber. Immer wieder übte er auch scharfe Kritik an der chinesischen Einkindpolitik und den damit verbundenen Zwangsabtreibungen.

Auch an Weihnachten 2004 besuchten wir Bernhard in Peking. Wieder fanden wir eine überfüllte Kirche vor, und unter dem Eindruck eines aufblühenden katholischen Lebens in China schrieb ich nach Rückkehr für ein Internetforum einen Bericht, der hier zu finden ist.

Am 11.6.2005 schrieb uns Bernhard:

Heute habe ich meine Abschlussarbeit einem Priester weitergeleitet, der hier manchmal bei einem Glaubenskurs redet, wo ich auch einige Male war.

Bernhard gibt also hier an, einige Male bei einem "Glaubenskurs" gewesen zu sein. Vielleicht waren es Kurse, die zur Taufvorbereitung dienen, denn regelmäßig werden in China auch Erwachsenentaufen vorgenommen. Bernhard hatte viel Kontakt mit chinesischen Christen, dies wird nicht nur aus obiger E-Mail ersichtlich, sondern er sprach auch darüber. Einige Male fragte ich ihn nach Untergrundkirchen, ob es solche gebe und wo man sie finde, aber er schwieg stets oder gab darauf ausweichende Antworten.

Es ist Ausländern verboten, in China missionarisch tätig zu sein, auch dürfen sie keine religiösen Materialien einführen außer zum persönlichen Gebrauch. Die chinesischen Christen dürfen ohne offizielle Genehmigung keine Kontakte zu Ausländern unterhalten, um „die Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften zu wahren“.

Bernhard erhielt im Sommer 2005 an der BLCU sein BA-Diplom (Bachelor of Arts). Seine Diplomarbeit hatte als Inhalt den Vergleich einer 3000 Jahre alten, heute fast unbekannten chinesischen Bewegung mit dem Christentum, insbesondere die Unterschiede und Inhalte des Begriffs "Liebe".

Wir besuchten ihn zur Examensfeier in Peking und verbrachten dort ein paar schöne Tage, ehe wir nach gemeinsam Deutschland zurückflogen, denn Bernhard hatte nun Semesterferien.

Bernhard (links am Rednerpult) während der Rede als Vertreter der ausländischen Studenten bei der Examensfeier in der BLCU

Im Jahr 2005 hatte Bernhard auch in Leipzig sein Examen zum staatlich geprüften Übersetzer für Chinesisch mit Spezialfach "Wirtschaft" erfolgreich abgelegt. Es gelang ihm, die Zulassung zum Postgraduierten-Studium (Master-Studium) in China im Fachgebiet "Internationale Wirtschaft" zu erhalten. Während dieses Studiums, welches im Herbst 2005 begann, hatte er die Absicht, auch das Examen zum staatlich geprüften Dolmetscher für Chinesisch abzulegen sowie die höchste Stufe der staatlichen chinesischen Sprachprüfung (HSK-Prüfung) zu erreichen.

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