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Dezember 2012 - sechs Jahre

Am 22. Dezember 2012 ist der sechste Jahrestag des Todes unseres Sohnes.

Soweit wir in den zurückliegenden Jahren recherchieren konnten, vermuten wir, daß sich das Schicksal unseres Sohnes Bernhard Wilden wie folgt abgespielt hat:

Bernhard lebte und studierte vom Jahr 2002 bis zu seinem Tod im Dezember 2006 in China, nur unterbrochen durch Aufenthalte zuhause in Köln während der Semesterferien. Wir wissen, daß er in 2004 begann, sich mit dem chinesischen Gesellschaftssystem und der chinesischen Politik auseinanderzusetzen und kritisierte, daß China die Menschenrechte nicht achte. Besondere Kritik übte er immer wieder an der in China geübten Praxis der Zwangsabtreibungen. Dies dürfte im Laufe der Zeit den chinesischen Behörden nicht unbekannt geblieben sein. Vermutlich wurde er in erster Linie aus diesem Grund (und wegen seines aktiven Engagements für den katholischen Glauben, was bei Ausländern nicht gern gesehen wird, zum Teil auch verboten ist) als nicht mehr im Lande erwünscht betrachtet. Es liegt der Schluß nahe, daß sie Bernhard ausweisen wollten, und das haben sie ihm dann wohl im Dezember 2006 mitgeteilt.

Interessant für die Praxis einer Ausweisung aus China sind dabei ein Bericht im SPIEGEL aus dem Jahr 1984: Und nun beginnen wir mit Ihrer Umerziehung und ein Bericht in der Epoch Times Deutschland von Juli 2011: Schwedischer Student aus China abgeschoben.

Für diese Vermutung spricht vieles, was wir über die letzten Lebenstage von Bernhard in Erfahrung bringen konnten: Daß wir mehrere Tage lang keine E-Mails von ihm erhalten haben; daß er in seinem Telefongespräch angab, daß er sich bedroht fühlte; daß er sich intensiv von Geheimdienstagenten überwacht fühlte und daß er seine Eltern darum gebeten hat, ihn sofort aus China (mit all den Sachen, die sich im Laufe seines 4-jährigen Aufenthalts dort angesammelt hatten) abzuholen. Nachdem ich ihm am Telefon geraten hatte, zunächst sofort ohne Gepäck aus Peking abzureisen und er das zusagte, fand er am nächsten Morgen am Tag der geplanten Abreise sein Flugticket nicht. Da der 22. Dezember war und er aus unserer Erinnerung nach kurz vor Weihnachten stets an einer Weihnachtsfeier mit religiösem Charakter in Peking teilgenommen hatte, liegt der Schluß nahe, daß er dies auch im Jahr 2006 tat.

Dabei ist er vermutlich spätabends nach dem Ende der Feier einem Agenten begegnet, mit dem sich eine Diskussion entwickelt haben muß, in dessen Folge Bernhard gewaltsam um das Leben gebracht wurde. Chinesische Sicherheitsbeamte sind oftmals nicht zimperlich, was die Behandlung von „Dissidenten“ oder „Staatsfeinden“ betrifft, das beschreibt die Süddeutsche recht anschaulich in einem Artikel vom 4. März 2011:

… Von den Journalisten, die dennoch hingingen, wurden mindestens drei brutal geschlagen. Ein Reporter von Bloomberg News musste mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Auf ihn hatten fünf Beamte der Staatssicherheit noch eingetreten und geschlagen, als er schon am Boden lag und um Hilfe schrie. Der Club der Auslandskorrespondenten in Peking (FCCC) verschickt nun Warnungen. Kollegen sollten sich bei ihrer Arbeit in Peking nicht an abgelegene Orte abdrängen lassen und notfalls sofort um Hilfe schreien, wenn sie angegriffen würden, schreibt der FCCC.“

Und am 23. Dezember 2006 frühmorgens wurde Bernhard „tot aufgefunden“. Das war in Deutschland noch der 22. Dezember. Eine Obduktion wurde nicht gemacht; die Überführung des Leichnams nach Deutschland wurde verweigert, alle Recherchen zu seinem Tod wurden behindert.

Ein guter Freund von mir beschrieb das im Januar 2011 in einer E-Mail an mich mit folgenden Worten - mit denen er vermutlich der Wahrheit sehr nahe kommt:

tja, ... also sagen wir es mal, wie es mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit ist ... chinesische stasi-mitarbeiter haben deinen sohn als staatsfeind in die mangel genommen und dabei so überzogen, daß er zu tode kam. das haben sie vermutlich nicht gewollt aber bei der art, wie geheimdienste aller totalitären länder vorgehen, ist so ein ausgang nicht unwahrscheinlich. als es geschehen war, haben sie natürlich alles getan, um den wahren hergang zu vertuschen. euch hat man mit einer billigen und offenkundigen lüge abgefertigt und die weichgespülten vertreter der deutschen wirtsschaftsinteressen im reich der mitte werden den teufel tun, sich mit den machthabern anzulegen, weil ein deutscher student in die mühlen des chinesischen staatsapparates gekommen und dabei gestorben ist.“

Mit diesen etwas salopp ausgedrückten Worten scheint mir gut beschrieben, wie es aller Wahrscheinlichkeit gewesen ist. So würden sich alle Mosaiksteine, die sich aus Tatsachen und allem, was wir recherchieren konnten, ergeben haben, zu einem fertigen und passenden Bild zusammenfügen.

Am 26. November 2012 wäre Bernhard 30 Jahre alt geworden.


geschrieben von Regina Wilden, Mutter von Bernhard Wilden, im Dezember 2012